Ein solides, offenes Haus für Elmshorn.
Zweistufiger Wettbewerb (zweite Stufe geladen).
Ein solides, offenes Haus für Elmshorn.
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Städtebau Ziel der Stadtentwicklung in Elmshorn ist es, die Innenstadt und ihre angrenzenden Stadtteile zu stärken und Elmshorn langfristig als hochwertigen Wohnstandort zu etablieren. Basierend auf dem Masterplan werden neue Binnenräume hoher Aufenthaltsqualität erschlossen, welche den südlichen Stadtteil an die weitgehend intakte nördliche Stadtmorphologie anbinden. Das neue Rathaus wird damit Initialprojekt des rund 18.5 Hektar großen Sanierungsgebietes Krückau-Vormstegen. Ziel dieses Entwurfes ist es, ein ausdrucksstarkes und solides Haus für Elmshorn zu schaffen, welches sich optimal in seine Umgebung einfügt, seinen Nutzern eine hochwertige, flexible Arbeitsatmosphäre bietet und den Elmshorner Bürgern ein einladendes, offenes Haus übergibt.
Gemäß Rahmenplan bildet das neue Gebäude die südliche Raumkante zum Buttermarkt, welche dem Platz Halt gibt und durch die öffentlichen Funktionen des neuen Rathauses dem Ort ein hohes Maß an städtischem Leben einbringen wird. Der Hauptzugang des Rathauses liegt exakt gegenüber der Piazetta des Buttermarktes, dessen nordöstliches Ende von der alten Markthalle räumlich begrenzt ist. Ein leichtes Ausdrehen des neuen Hauses an dieser Stelle schafft eine subtile Gliederung der fast 90 Meter breiten Fassadenfront. Damit wird sowohl die Länge des Baukörpers gegliedert, aber auch ein binnenräumlicher Bezug zur alten Markthalle und Einleitung in die angrenzende Planstrasse A geschaffen.
Entree & Erdgeschoss Das neue Rathaus Elmshorn wird ein einladendes, offenes, bürgernahes Haus. Die großzügige Eingangshalle fungiert dabei als erste Adresse der Stadt und dient neben angemessenem Entree und Erstinformation auch als Verteiler für die vielfältigen Aufgabengebiete innerhalb des Hauses. Hier angekommen gewährt eine Empfangsdame an einer Infotheke dem Neuankömmling erste Orientierungsmöglichkeiten. Ein weiterer, im Osten von Planstrasse A gelegener Zugang nimmt den Druck vom Hauptzugang. Im Innern des Hauses verschränken sich dabei räumlich Buttermarkt mit Vestibül des Kollegiumsaales, Planstrasse A mit Eingangshalle und Innenhof. Diese Verlängerung des Außenraumes ins Gebäudeinnere und deren Verzahnungen funktionieren wie eine Art räumliches ‚Scharnier‘. Im Östlichen Gebäudeteil des Erdgeschosses liegt darüber hinaus neben halböffentliche Nutzungen wie das Amt für Gebäudemanagement, die Administration und die Poststelle auch eine Anlieferungszone.
Der Ratssaal Über eine großzügige Freitreppe oder mit dem Aufzug gelangt man von der Eingangshalle in das Vestibül des Ratssaales, welcher im ersten OG situiert ist. Als heller fast 7 Meter hoher Saal mit Blick über Buttermarkt und auf die alte Markthalle ermöglicht er neben seiner Kernfunktion des Kollegiums vielfältige multifunktionale Nutzungen wie etwa Konzerte, Lesungen, Ansprachen, Medienpräsentationen, Ausstellungen und Feiern. Der Saal ist (vielleicht in Anlehnung an die berühmte Rathauserweiterung von Gunnar Asplund in Göteburg) im Innern mit hellem Holz ausgekleidet. Hierdurch werden die Akustik des Saales verbessert und abendliche Veranstaltungen durch ein ‚warmen Leuchten‘ nach außen transportiert. An der Stirnseite des Saales liegt eine zweigeschossige Stadt-Loggia mit Blick auf Vorplatz und Buttermarkt, die beispielweise bei Festansprachen genutzt werden kann. Garderobe, Stuhllager, Catering-Küche, WCs und Aufzug sind schwellenlos und unmittelbar dem Vestibül des Kollegium-Saales zugeordnet. Südlich der Haupterschließung liegt ein kleiner Lichthof, welcher Teile des Haupt- und Rechtsamtes, wie auch das Vestibül selbst belichtet. Hier findet die Raucherpause statt und es können nach einer Veranstaltung informellen Gespräche im Freien fortgesetzt oder nach Meetings im Haupt- und Rechtsamtes geführt werden.
Das zweite Oberschoss beherbergt das Amt für Kinder, Jugend und Sport, das Amt für Stadtentwicklung, das Amt für Flächenmanagement und das Amt für Rechnungsprüfung.
Beletage Im westlichen und südlichen Flügel des dritten Obergeschosses befinden sich die Administration und das Amt für Finanzen. Eine großzügige, zum Buttermarkt orientierte Freiterrasse ermöglicht den Nutzern auch hier informelle Gespräche draußen und gewährt außergewöhnliche Blicke rüber zum Probstendamm, Richtung Krückauer Hafen und Altstadt. Im nordöstlichen Gebäudeteil liegen das Trauzimmer und die beiden großen, zusammenschaltbaren Sitzungszimmer, welche vom ganzen Haus genutzt werden können. Gegenüber dem Trauzimmer befindet sich ein introvertierter, außenliegender Patio, welcher Trauungen bei gutem Wetter in luftiger Höhe gestattet und sich auch für Fotoshootings eignet.
Bürolandschaft Die Gebäudestruktur ermöglicht in den Bürogeschossen eine sehr flexible, frei teilbare Grundrisszonierung in Großraumbüro, Einzel- Doppel- oder Clusteranordnungen.
Diese können auch nachträglich auf etwaige Veränderungen innerhalb der Ämter flexibel angepasst werden. Das Achsraster beträgt 2,665 Meter. In den Geschossen 1 bis 3 liegt die Raumhöhe bei 3.10m, im Erdgeschoss bei 3.50m bzw. 4.30m. Die Geschosse sind mit Hohlinstallationsböden ausgestattet, in denen die Techniktrassen und Installationen zentral geführt und jeden Arbeitsbereich erschließen können. Für die Büronutzungen ist eine semi-manuelle Lüftung mit in die Fensterlaibungen integrierten, halbautomatisierten und schallgedämpften Lüftungsklappen vorgesehen, sodass jeder Arbeitsbereich individuell gelüftet werden kann. Ratssaal, Besprechungsräume, Technik- und Nassräume werden über eine zentrale mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt und vom Untergeschoss aus erschlossen. Kleine Besprechungsnischen, Teeküchen und Garderoben sind in der Nähe der zentralen Fluchttreppenhäuser angegliedert und fördern Begegnungen oder informelle Arbeitsgespräche.
Tiefgeschoss Im Untergeschoss sind Technikräume, Papier- und Stuhllager sowie Räumlichkeiten für die Abfallentsorgung untergebracht. Die Tiefgarage wäre im Falle ihrer Realisierung eingeschossig, von Süden (Planstrasse B) erschlossen und würde Raum für ca. 95 PKW Stellplätze bieten, welche an den Wochenenden auch öffentlich genutzt werden könnten. Die Wirtschaftlichkeit einer Tiefgarage wäre aufgrund der bestehenden Boden- bzw. Grundwasserverhältnisse noch zu verifizieren.
Der Güterschuppen Als Reminiszenz an das blühende Zeitalter der Industriealisierung wird die Fassade des Güterschuppens unterfangen, auf ihre ursprüngliche Gestalt des geschlämmten Backsteinmauerwerkes reduziert und durch einen dreigeschossigen, vertikalen Betonaufsatz ergänzt. Hier werden zukünftig sowohl das neue Stadtarchiv wie auch alle weiteren, dezentralen Sondernutzungen des Raumprogrammes untergebracht. Die Erweiterung des Baukörpers um weitere drei auf insgesamt sechs Geschosse kann im Zuge eines späteren Bauabschnittes erfolgen. Die beiden letzten Geschosse wären dabei auch als öffentliche Ausstellungsräume denkbar. Mit der Aufstockung des Lockschuppens werden Dichte und Flächenressource innerhalb des Quartiers ausgelotet aber auch kognitiv-typologische Bezüge zu den zahlreichen hohen Häusern im Elmshorn evoziert.
Tragwerk Die Lastabtragung in den Baugrund erfolgt voraussichtlich über Pfahlgründung. Die Decke über EG ist als Abfangrippendecke ausgelegt und ermöglicht damit eine gänzlich stützenfreie, flexible Bespielung des Erdgeschosses. Stahlbeton-Erschließungskerne und Geschossdecken bilden im Verband die Horizontalaussteifung des Gebäudes. Das Tragsystem funktioniert unabhängig von einer möglichen Realisierung des Untergeschosses, die als Weiße Wanne auszubilden wäre.
Fassade & Materialisierungskonzept Die Fassadengliederung in Sockelzone, Mittelteil und oberen Abschluss, horizontale Geschossbänder und vertikale Wandpfeiler wie auch eine detailreiche Tiefenstaffelung durch ein Relief aus Vor-und Rücksprüngen findet sich in zahlreichen qualitätsvollen Bestandsgebäuden der näheren Umgebung. Diese differenzierte Gestaltung im Umgang mit städtischem Raum schafft einen charaktervollen Bezug zum menschlichen Maßstab. Neben der Materialwahl des Backsteins für das neue Rathaus als robustes Fassadenmaterial werden zahlreiche der oben erwähnten architektonischen Themen abstrahiert aufgegriffen. Die Gebäudehülle ist als solide, langlebige und nachhaltige Konstruktion konzipiert. Horizontale Geschossbänder sind aus anthrazit eingefärbtem Beton und werden über Zinnen an die Geschossdecken rückverankert. Die Außenwände werden mit Ziegeln in überbreiten Mörtelfugen erstellt. Dabei wird die äußere, als Wetterschutz fungierende Ziegelschicht in dunklem Mörtel mit der tragenden Inneren Ziegellage im Verbund gemauert und wird so zu einer sehr soliden, nachhaltigen Wandkonstruktion. Innen werden die Wände mit einem atmungsaktiven Kalkputz verputzt. Die Erschliesungs- und Nassbereiche besitzen robuste Böden aus geschliffenem Beton. Ein reduzierter, stimmiger Materialkanon ist den Autoren ein wichtiges Anliegen. Die zum Einsatz kommenden, natürlichen Materialien sind behutsam ausgewählt, aufeinander abgestimmt und bemustert, ökologisch nachhaltig, langlebig und optisch und haptisch ansprechend.
Mitarbeit: Cand. Arch. Philip Schatzmann, Cand. Arch. Laura Horn
Tragwerk: Konrad Merz, Merz Kley & Partner, Dornbirn & Altenrhein
Visualisierung: Jonas Bloch, München